Geschichte

Gründung

Bereits 1880 war die Frage aktuell, wie den in Emden und Leer verkehrenden Schiffern eine hilfreiche Hand geboten werden könnte. Zu der Zeit gab es bereits eine Betreuung in Form von kleinen Gruppen. Auch Familien waren aktiv, indem sie sonntags die Schiffe besuchten und Lesestoff vermittelten.

Die Idee zur Gründung eines Heimes für Seeleute kam von Superintendent Julius Elster aus Riepe. Am 3. September 1902 wurde die Ostfriesische Seemannsmission gegründet. Ihr Vorsitzender war Julius Elster aus Riepe, der dieses Amt bis zu seinem Tode ausführte.

Als Standort wurde Emden auserwählt und beschlossen. Hier sollte ein Heim für die Betreuung der Seeleute geplant und gebaut werden. Der Senat stellte das Grundstück und am 4. August 1903 ging der Auftrag an Baumeister Heits.

Die Grundsteinlegung erfolgte am 15. September 1903 durch den Superintendenten Julius Elster.

    Superintendent
Julius Elster – Riepe
Vorsitzender von
1902 – 1905

Einweihung

Am 25. Mai 1904 wurde dann das Seemannsheim offiziell eingeweiht und seiner Bestimmung übergeben. Seemannsmissionar Bernhard Schwietert und seine Frau Lilly, geb. Arends, übernahmen als Hauseltern die Leitung und alsbald füllte sich das Haus mit regem Leben.

 

Seemannsheim Emden
vor 100 Jahren

Finanzielle Sorgen

Der erste Jahresbericht wies aus, das die mit 25.000,– Mark veranschlagten Baukosten, einschließlich der Inneneinrichtung, tatsächlich 35.000,– Mark betrugen. Das Baugrundstück wurde kostenlos vom Magistrat gestellt. Die Ostfriesische Landschaft stiftete einen Betrag von 600,– Mark für den ersten Baustein und an Spenden und Liebesgaben gingen im ersten Jahr 3.000,– Mark ein. Es wurde ein Darlehen von 22.000,– Mark aufgenommen und für die restlichen rd. 10.000,– Mark gab es keine Deckung.

Dank tatkräftiger Unterstützung des Leinerstift und anderen Spendern wurde die Finanzierungslücke geschlossen.Das Heim fand großen Zuspruch bei den Seeleuten.

Im Jahre 1905 verzeichnete die Statistik 3386 Besucher im Lesezimmer, 134 Gäste wurden betreut. Die Arbeit wurde intensiviert und im Jahre 1913 verzeichnete die Statistik bereits 11290 Besucher des Lesezimmers und 1029 betreute Gäste.

Erweiterung

In all‘ den Jahren war das Geld immer knapp. Dieses hat sich bis zum heutigen Tage nicht geändert. Doch Gott hat dieses Heim nicht im Stich gelassen. Immer wenn man meinte, es geht nichts mehr, die Töpfe waren leer, gab es hilfreiche Hände und finanzielle Liebesgaben von Menschen, die dem Seemannsheim und den Seeleuten zugetan waren. So konnte die Arbeit weiter intensiviert und die notwendig gewordene Erweiterung der Kapazität auf insgesamt 24 Betten vorgenommen werden.

Während 1933 der Hafenbetrieb rege zunahm und statt Arbeitsloser eher ein Mangel an Arbeitskräften herrschte, die die Liegezeiten bereits immer kürzer wurden, ändert sich auch das Bild der Seemannsmissionsarbeit. Mal müssen Matratzen und Notlager für Übernachtende hergerichtet werden, mal herrscht absolute Ruhe.

   Seemannsmissionar
Bernhard Swietert
Hausvater 1904 – 1936

Neue Bestimmungen erschwerten zusätzlich die Arbeit. Der Haus-vater machte sich strafbar, wenn er Nicht-Seeleute als Nachtgäste aufnahm. Es durften nur noch Seeleute und Angehörige der Seeleute aufgenommen werden. Die Situation wurde nicht besser.

Kriegszeiten

1936 übernahm Diakon Andreas Nielsen mit seiner Ehefrau Ella, geb. Fischer den Dienst im Seemannsheim. Dieser sollte nur von kurzer Dauer sein. Sie hatten bereits in Bremerhaven und Kopenhagen als Hauseltern der Seemannsmission Erfahrungen gesammelt.

Die Zeiten sind immer noch sehr schwer, da die wechselnde Belegung eine Planung nicht einfach macht. Das Seemannsheim Emden, das jetzt mittlerweile 50 Betten zur Verfügung stellt, muß immer noch zeitweise Matratzenlager zusätzlich zur Verfügung stellen.

Die Zahl der Schlafnächte beläuft sich auf mehr als 9.000 und das Lesezimmer zählte

 

    Seemannsmissionar
Andreas Nielsen
Hausvater 1936 – 1939

 

16.000 Besucher. Die Andachten wurden mittwochs und samstags geboten und vermehrt von Freunden aus der Nachbarschaft und weniger von den Seeleuten selbst besucht.1938 wollte die NS-Volkswohlfahrt die Betreuung der Seeleute ganz übernehmen, doch der Vorstand beschloß  „Weitermachen!“.

Mit Ausbruch des zweiten Weltkrieges 1939 kam dann die Arbeit im Seemannsheim für 10 Jahre völlig zum Erliegen. Die Missionsarbeit wurde Opfer des Krieges und Diakon Nielsen mußte von seinem Amt enthoben werden.

Während dieser Zeit wurde unser Heim als Mietskaserne genutzt, es bot so zweitweise bis zu neun Familien Unterschlupf und zwei Hafendienststellen fanden hier einen Ort für ihr Büro. Es wurde im Haus ein gassicherer Luftschutzraum eingebaut, die Haupteingangstür und ein Teil der Fenster wurden zugemauert. Der einst so liebevoll angelegte Garten wandelte sich zum Schuttabladeplatz.

Kriegszeiten

Nachhaltige Spuren hinterließen die beiden Weltkriege. Besonders nach dem zweiten Weltkrieg stand das Seemannsheim vor dem Nichts. Es hatte in den Jahren bis 1949 der Unterkunft von ausgebombten Familien gedient und war jetzt völlig ausgewohnt und in einem erbärmlichen Zustand.

Mit Zuversicht, dem Glauben an Gott und das es immer weiter geht, wurde der Betrieb am 8. Mai 1949 – nach der Freigabe des Hauses – wieder aufgenommen. Im Jahre 1952 wurde mit der Renovierung begonnen.

Wiederaufbau

Mit der Niederlage und den Kapitulationsbedin-gungen schien die Arbeit der Seemannsmission beendet zu sein. Mit blutendem Herzen stellte Pastor Köppen fest, dass die Seemannsmission nur noch dem Namen nach existierte. 1946, nach 41-jähriger Leitung, gab er sein Amt weiter.

Der Hafen begann sich wieder mit Leben zu füllen und im Spätherbst 1947 fand in der lutherischen Notkirche in Emden eine Kundgebung statt. Das Thema war „Soll Emden im Sumpf der Unsittlichkeit versinken?“

Es wurde an den Rat der Stadt die Resolution gerichtet, in der die erste Forderung war: „Das Seemannsheim muß seiner ursprünglichen Bestimmung wieder zugeführt werden.“

    Pastor i.R. Paul Köppen
Loga
Vorstandsvorsitzender
von 1906 – 1946

 

Anfang 1949 wurden dann die bis dahin im Erdgeschoss als Büros genutzten großen Räume wieder frei und der Vorstand nahm sofort Kontakt mit Seemannsmissionar Ernst Scharf auf.

Es war eine schwierige Zeit. Das Heim stand noch, aber es wurde von den ausgebombten Familien bewohnt und befand sich in einem völlig verwahrlosten Zustand. Die komplett ausgebombte Stadt bot diesen Familien keine Möglichkeit anderweitig eine Wohnung zu finden und selbst wenn, wo sollten die Mittel für die erforderliche Renovierung herkommen.

Wiederaufnahme der Tätigkeit

Am 8. Mai 1949 wurde in der luth. Notkirche in Emden offiziell verkündet: „Die Pforten des Seemannsheimes haben sich wieder geöffnet!“

Nur vier Jahre später herrschte im Hafen wieder Hochbetrieb und die Räumlichkeiten des Seemannsheimes strahlten in einem hellen Weiß. Sie standen in ihrem neuen Gewand unseren Seeleuten wieder zur Verfügung.

Danke

Ohne die Unterstützung von „Papa Scharf“, wie ihn die Seeleute liebevoll nannten, seiner Frau Lina, geb. Rojahn, den Mitarbeitern im Vorstand und Komitee sowie all den anderen Spendern und Helfern hätte das Seemannsheim nicht so schnell wieder an den Start gehen können.

Ihrem unermüdlichen Einsatz in körperlicher wie auch monetärer Form ist es zu verdanken, dass das Seemannsheim innerhalb kürzester Zeit von den Schatten des Krieges befreit werden konnte und zum neuen Leben erweckt wurde.

Wenn auch viele daran gezweifelt haben und

 

Seemannsmissionar
„Papa Scharf“
Hausvater 1949 – 1975

 

so manches Mal nicht mehr daran glaubten, so fanden sich immer wieder Menschen, die zum weiteren Gelingen beitrugen. So konnte dieses christliche Heim auch künftig wieder für die Betreuung der Seeleute die Türen öffnen.

Besonders in den Nachkriegsjahren, als die Not am größten war, bestand ein erhöhter Bedarf an Seelsorge. Viele hatten keine Arbeit und auch keine Familie. Das Seemannsheim bekam eine besondere Bedeutung.

Situation der Seeleute 1952

Im Februar 1952 wurde der Garten wieder in Angriff genommen. Unter den Seeleuten, die zu der Zeit immer wieder um ein bescheidenes Notlager baten, war auch der Maschinist Karl. Nach Einsicht ins Seefahrtsbuch wurde der erste Eindruck eines verwahrlosten Tippelbruders revidiert und er wurde aufgenommen. Karl befand sich in einem erbärmlichen Zustand und trotz knapper Mittel wurde er erst einmal wieder aufgepäppelt. Nach vier Wochen wollte er dann gerne eine Beschäftigung. So bekam er die Aufgabe, den Schuttplatz vor dem Haus wieder in einen Garten zu verwandeln.

Bereits nach wenigen Tagen hatte er einen kleinen Arbeitskreis um sich versammelt und dieser legte dann kräftig los. Bauschutt beseitigen, Wege und Garten ordnen, Kultivierungsarbeiten, und nach Wochen harter Arbeit wurde dann der neu entstandene Garten noch mit einem Rasenstück veredelt.

 

„Karl“ mit seiner Truppe   Wiederherstellung des Gartens

Teepause

Sie freuten sich besonders, wenn Fremde vorbeikamen, sie stehen blieben und den mit so viel Liebe neu angelegten Garten bewunderten. Sie waren stolz, auf das was sie geleistet hatten und darauf, dass sie mit ihrer Hilfe ein kleines Dankeschön zurück geben konnten.

Arbeit der Seemannsmission

Wer die Arbeit der Seemannsmission kennt, weiß bereits, wie wichtig sie für die Seeleute ist. Sie bietet den Fahrensleuten ein kleines Stück Heimat, in dem es nicht zählt, welche Sprache der Seemann spricht oder welche Hautfarbe er hat. Wie viele junge Menschen waren nach dem Kried darunter, die keine Familie mehr hatten oder auch kein Zuhause.

 


„Papa Scharf“ zweiter
von links oben

 

Ebenso die Seemannsfrauen und Kinder, die oft von weit her an-reisten, um ihre Männer und Väter nach Monaten wieder in die Arme nehmen zu können, bevor sie dann nach einigen Tagen auf das nächste Schiff gingen und wieder für Monate von der Familie getrennt lebten. Unsere Aufgabe war es auch, bei den Nöten der Seemanns-Ehen zu helfen, durch Aussprachen und oftmals einfach nur durch Zuhören.

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Abschied von „Papa Scharf“

Diakon Werner Knodel mit seiner Ehefrau löste mit seiner Einführung am 10. Oktober 1975 den Seemannsmissionar Ernst Scharf nach 26 Jahren im Dienste des Seemannsheim Emden und 45 Jahren Seemannsmission ab.

Gemäß Satzung sollte seine Arbeit folgenden Inhalt haben:

„….. den in den ostfriesischen Seehäfen verkehrenden Seeleuten und Binnenschiffern ohne Unterschied der Konfession zum Schutze vor den ihnen drohenden Gefahren in christlicher Liebe die Hand zu bieten und sie zur Stärkung ihrer Widerstandskraft im christlichen Glauben zu festigen. ….“ sowie „….am Emder Außenhafen ein Heim zu halten, welches den dort einkehrenden Seeleuten und Binnenschiffern ohne Unterschied des Glaubens liebevolle Aufnahme, Erquickung für Leib und Seele, ein ruhiges Nachtquartier und vor allem die Gelegenheit bietet, Gottes Wort zu hören.“

 

Diakon Werner Knodel
Leiter des Seemanns-
heimes 1975 – 1992

Seeleute vor dem Umbau

Neubau oder Anbau

Gleichzeitig, mit dem Amtsantritt des neuen Hausvater Knodel und seiner Frau, wurden Pläne für einen Neubau des Seemannsheimes vorgelegt. Der Altbau konnte der vermehrten Nachfrage nicht mehr gerecht werden. Es musste etwas geschehen. Pläne, für einen kompletten Neubau, der sich über 4 Baustufen erstrecken sollte, lagen vor. Der Altbau sollte abgerissen werden.


geplanter Neubau

Dieses brachte große Diskussionen hervor. Das mittlerweile historische Gebäude sollte erhalten bleiben. Es waren dann auch letztendlich Kostengründe die für einen Anbau an das alte Gebäude sprachen.

Am 20. August 1976 wurde dann mit der Grundsteinlegung der Anbau an das alte Seemannsheim begonnen.

Im November 1977 wurde mit dem Einmauern eines Schluss-Steines das Seemannsheim nach einjähriger Umbauphase neu eröffnet. Nach der Erweiterung und dem Umbau bot das Heim nun in modernen Räumen Möglichkeiten für Freizeit und Erholung. Neben 22 Einzel- und 5 Doppelzimmern mit insgesamt 36 Betten, standen jetzt auch verschiedene Räumlichkeiten für Gemeinschaftszwecke zur Verfügung.

Die Statistik sagt, das das Seemannsheim in Emden im vergangenen Jahr 725 Gäste mit über 6.000 Übernachtungen sowie 773 Tagesgäste aufnahm. Es gab 642 Beratungen, 25 Besuche auf Schiffen, mehrere Krankenbesuche und 21 Gesprächsabende. In 51 Gottesdiensten wurden über 700 Besucher gezählt, wovon ca. 280 Seeleute waren.

Kapelle

In der ökumenischen Kapelle werden seitdem Gottesdienste gehalten. Für die Altarplatte wurde ein romanischer Sarkophagdeckel verwendet. Dieses trapezförmige Stück, welches auf dem alten Nesserlander Friedhof entdeckt und gesichert wurde, stammt aus der Zeit 1180 bis 1200. Diese Platte wurde früher auch schon als Altartisch verwendet, diente dann als Stufenstein und dann wieder als Grabplatte.

Der Stein weist neben geometrischen Mustern ein Mittelkreuz, vier Nebenkreuze und als Erinnerung an seine profane Verwendung auch Schleifspuren auf, was darauf hindeutet, das der Stein auch schon einmal als Wetzstein genutzt wurde. Gemäss Museumsdirektor Dr. Eichhorn stammt sie vermutlich aus Lagerstätten am Main und gelangte über Holland nach Ostfriesland.

Die katholische Gemeinde St. Michael schenkte dem Seemannsheim am 04.11.1977 eine Bibel, illustriert von Meister Heinrich Gerhard Bücker mit dem Titel „Bilder des Heils“. Als Widmung steht der Wahlspruch der Papenburger Seefahrer eingetragen. „God is myn Leydsmann“.

 

 

 

Kapelle

 

 

 

    „Bilder des Heils“

Heimleitung aus Afrika

1992 übernahm das Ehepaar Renate und Norbert Esser die Leitung des Seemanns-heimes. Sie kamen gerade aus Afrika, wo Norbert Esser von 1975-1984 das Seemanns-heim in Togo/Lomé leitete. 1978 kam seine Frau dazu, die vorher ebenfalls in Afrika im Entwicklungsdienst tätig war. Von 1984-1992 leiteten dann beide die Seemannsstation in Libréville.

Sie brachten ein internationales und afrikanisches Flair in die historischen Räume. Sicher froren sie in der Anfangszeit häufiger.

Der stets anwachsende Anteil an Seeleuten, die aus Afrika kamen, fand hier ein gutes zweites Zuhause mit viel Verständnis.

 

Renate und Norbert Esser
mit Pluto

Wie alle Hauseltern vor ihnen, mussten auch sie mit den Finanzen kämpfen. Der Altbau musste dringend saniert werden, die Zimmer waren stark abgängig und die ständig wachsenden Auflagen in allen Bereichen sorgten für weitere Geldsorgen.

Im Jahre 2003 ging Pastor Norbert Esser in den Ruhestand.

Seemannsheim heute

Seit dem 1. September 2003 ist Pastor Meenke Sandersfeld Seemannspastor und Leiter des Seemannsheimes Emden. Er wurde am 4. Juli 2004 offiziell in der Martin-Luther-Kirche in Emden in sein Amt eingeführt.

 

Pastor Meenke Sandersfeld
Leiter des Seemannsheimes
in Emden seit 1. Sept. 2003